Haus der deutschen Sprache
Gedicht des Monats

Gedicht des Monats September 2008

Wilhelm Busch

Pfannkuchen und Salat

„Warum sind eure ‚Gedichte des Monats’ immer so ernst?“, fragt Karel L. in Prag. Ihr habt auch viele lustige Gedichte, zum Beispiel von Wilhelm Busch.“  – Stimmt!

So furchtbar ernst ist ja Heinrich Heines Satire „Erinnerungen an Krähwinkels Schreckenstage“ nicht (Gedicht des Monats Juni 2008). Aber gut, Wilhelm Busch ist ein willkommener Vorschlag. Sei also zur Abwechslung mal ein Küchenrezept HDS-„Gedicht des Monats“. Amüsanter als die Fernsehkochsendungen unserer Tage ist’s allemal!

Von Fruchtomletts, da mag berichten
Ein Dichter aus den höhern Schichten.
Wir aber, ohne Neid nach oben,
Mit bürgerlicher Zunge lobenUns Pfannekuchen und Salat.
Wie unsre Liese delikat
So etwas backt und zubereitet,
Sei hier in Worten angedeutet.

Drei Eier, frisch und ohne Fehl,
Und Milch und einen Löffel Mehl,
Die quirlt sie fleißig durcheinand
Zu einem innigen Verband.

Sodann, wenn Tränen auch ein Obel,
Zerstückelt sie und mengt die Zwiebel
Mit Öl und Salz zu einer Brühe,
Daß der Salat sie an sich ziehe.

Um diesen ferner herzustellen,
Hat sie Kartoffeln abzupellen.
Da heißt es, fix die Finger brauchen,
Den Mund zu spitzen und zu hauchen, Denn heiß geschnitten nur allein
Kann der Salat geschmeidig sein.
Hierauf so geht es wieder heiter
Mit unserm Pfannekuchen weiter.Nachdem das Feuer leicht geschürt,
Die Pfanne sorgsam auspoliert,
Der Würfelspeck hineingeschüttelt,
So daß es lustig brät und brittelt,

Pisch, kommt darüber mit Gezisch
Das ersterwähnte Kunstgemisch.
Nun zeigt besonders und apart
Sich Lieschens Geistesgegenwart,

Denn nur zu bald, wie allbekannt,
Ist solch ein Kuchen angebrannt.
Sie prickelt ihn, sie stockert ihn,
Sie rüttelt, schüttelt, lockert ihn

Und lüftet ihn, bis augenscheinlich
Die Unterseite eben bräunlich,
Die umgekehrt geschickt und prompt
jetzt ihrerseits nach oben kommt.

Geduld, es währt nur noch ein bissel,
Dann liegt der Kuchen auf der Schüssel.
Doch späterhin die Einverleibung,
Wie die zu Mund und Herzen spricht,
Das spottet jeglicher Beschreibung,
Und darum endet das Gedicht.

 

Am komischsten ist Busch, wenn er alltägliches Geschehen, triviale Abläufe, kleine menschliche Schwächen und Eitelkeiten in feierlich gereimten Versen beschreibt, als ginge es um Liebe, Leid oder Heldenruhm.

Ein Gutteil seiner Dichtung dreht sich um die Beziehungen des Menschen zum Essen und zum Trinken – von der röter werdenden Nase des stillen Säufers über die Witwe Bolte und ihre Liebe zum Sauerkohl (wofür sie besonders schwärmt,/ wenn er wieder aufgewärmt) und die Vorzüge einfacher, deftiger Kost bis hin zu den attraktiven jungen Damen am Herd (Das freut den Franz. Er hat nun mal / ’n Hang zum Küchenpersonal).

Buschs Manuskript des Vorwortes

 

Richtig berühmt geworden ist Busch durch sein in viele Sprachen übersetztes, Dutzende Male gedrucktes Werk

Max und Moritz. Eine Bubengeschichte in sieben Streichen

von 1865. Wer kennte nicht seit seiner Kindheit die frechen Knaben, die ihren Mitmenschen mit listigen Streichen das Leben schwer machen und am Ende zur Strafe in der Dorfmühle zu Federvieh-Futter verarbeitet werden?

 

Wenn auch in gereimten Versen (Dieses war der erste Streich, / doch der zweite folgt sogleich), so ist „Max und Moritz“ doch kein Gedicht im traditionellen Sinne, sondern eine Erzählung in Versen. Alle paar Zeilen wird der Text zudem durch eine vom Dichter selbst gezeichnete Illustration des Geschehens unterbrochen. Drum ist hier, was sie getrieben, abgemalt und aufgeschrieben. (Man ahnt schon ein wenig die spätere Form der „Comics“) Buschs Manuskript des Vorwortes

 Sechster Streich

Max und Moritz: Bäcker am Ofen (6. Streich)
In der schönen Osterzeit,
Wenn die frommen Bäckersleut‘
Viele süße Zuckersachen
Backen und zurechtemachen,
Wünschten Max und Moritz auch
Sich so etwas zum Gebrauch.

Doch der Bäcker, mit Bedacht,
Hat das Backhaus zugemacht.

Also will hier einer stehlen,
Muß er durch den Schlot sich quälen.

Ratsch! Da kommen die zwei Knaben
Durch den Schornstein, schwarz wie Raben.

Puff! Sie fallen in die Kist‘,
Wo das Mehl darinnen ist.

Da! Nun sind sie alle beide
Rundherum so weiß wie Kreide.

Aber schon mit viel Vergnügen
Sehen sie die Brezeln liegen.

Knacks! – Da bricht der Stuhl entzwei;
Schwapp! – Da liegen sie im Brei.

Ganz von Kuchenteig umhüllt
Stehn sie da als Jammerbild.

Gleich erscheint der Meister Bäcker
Und bemerkt die Zuckerlecker. Eins, zwei, drei! – Eh‘ man’s gedacht,
Sind zwei Brote draus gemacht.

In dem Ofen glüht es noch –
Ruff! Damit ins Ofenloch!

Ruff! Man zieht sie aus der Glut;
Denn nun sind sie braun und gut.

Jeder denkt, die sind perdü!
Aber nein! Noch leben sie!

Knusper, knasper! Wie zwei Mäuse
Fressen sie durch das Gehäuse;

Und der Meister Bäcker schrie:
„Ach herrje! Da laufen sie!“

Dieses war der sechste Streich,
Doch der letzte folgt sogleich.

 

Drei weitere illustrierte Verserzählungen Buschs berichten von menschlichem und tierischem Schabernack, von Pech und Strafe – voll Spott und nicht weniger heiter, drastisch oder grausam als Max und Moritz: „Die fromme Helene“, „Fipps der Affe“, „Plisch und Plum“ sowie „Hans Huckebein, der Unglücksrabe“.

Sei es freundlich, sei es böse,
meist genügend klar und scharf
klingt des Mundes Wortgetöse
für den täglichen Bedarf.

Doch die Höchstgefühle heischen
ihren ganz besondern Klang;
dann sagt Grunzen oder Kreischen
mehr als Rede und Gesang. Aber Wilhelm Busch hat uns auch eine große Anzahl „richtiger“ Gedichte hinterlassen, zum Beispiel in der Sammlung „Kritik des Herzens“ (1874). Doch in ihnen geht es weder um die Schönheit der Natur noch um Liebe oder Trauer. Die meisten selbst dieser Gedichte sind spöttisch, teils von beißendem Hohn. Offenbar war es Buschs Anliegen, die  doppelte, die unechte Moral seiner bürgerlichen, seiner spießbürgerlichen Zeitgenossen zu entlarven oder den seit je oft eklatanten Gegensatz von menschlicher Schwäche und überzogener Selbsteinschätzung vorzuführen. Damit hat er sicher manches Tabu seiner Biedermeier-Zeit berührt. Immer wieder hat er warnend oder lachend den Aufprall hehrer Gefühle auf dem harten, kalten Boden der Realität genüsslich dargestellt.

Der Zeichner und Dichter Wilhelm Busch (1832-1908), geboren in Stadthagen bei Hannover und gestorben am Fuße des Harz, wurde an den Kunst-Akademien Düsseldorf, Antwerpen und München ausgebildet. Das zeit- und kulturkritische Werk fand schon zu seinen Lebzeiten erhebliche Beachtung. Seinen Ruhm begründete und erhält bis heute in erster Linie „Max und Moritz“. – Buschs Werke sind in verschiedenen Sammlungen in den Buchhandlungen zu finden. Für 2 Euro ist „Max und Moritz“ als „Reclamheft“ (Reclam Universal-Bibliothek Nr. 18218) zu haben.